Vierfacher Mord bei Magdeburg – Eine Frau und drei Kinder in Osterweddingen erschlagen

Magdeburgische Zeitung

2. Ausgabe – Nr. 313          Dienstag, 12. Juni 1928

Vierfacher Mord bei Magdeburg

Eine Frau und drei Kinder erschlagen

Der Mörder richtet sich selbst

Im Laufe der letzten acht Tage hat die Landeskriminal. Polizeistelle Magdeburg in ihrem Bezirk drei Mordfälle zu bearbeiten gehabt, denen sechs Menschenleben zum Opfer fielen; am 3. Juni den Gieseritzer Fall, am letzten Freitag die Budauer Mordtat. Am Montagabend gegen 20.30 Uhr erhielt die L.K.P.-Stelle durch den Amtsvorsteher von Osterweddingen (an der Strecke Magdeburg – Thale gelegen) die Nachricht, dass dort vier Ermordete liegen, die in den frühen Morgenstunden des Tages noch gelebt haben. Polizeipräsident Dr. Wenzel, Kriminalkommissar Kuntze und die Mordkommission mit den Kriminalkommissaren Gladrow, Rüdriem und Kluge begaben sich sofort im Kraftwagen an den Tatort nach Osterweddingen, wo sie im Gehöft Nr. 147 von dem Amtsvorsteher Freitag und dem Landjägermeister Weinberg erwartet wurden. Das kleine Anwesen gehört der Kriegerwitwe Anna Eichholz. Sie lebt dort seit 1919 mit dem bei R. Wolf-Budau beschäftigten Feuerwehrmann Schwan, ihrem Sohne Willy und den beiden Schwanschen Kindern Rudi und Lucie zusammen.

Die Ermittlungen der Mordkommission ergaben folgendes: Am Montag gegen 18:15 Uhr kam der Schlosser Karl Schwan jun. aus Dodendorf zum Besuch seines Vaters nach Osterweddingen. Zu seiner Verwunderung fand er das Haustor verschlossen vor. Er nahm an, dass seine dort wohnende Schwester Lucie zum Einholen (anderes Wort für Einkaufen) gegangen war, da die Besitzerin des Grundstücks, Frau Eichholz, schon seit langer Zeit krank zu Bett lag. Er stieg deshalb über die Mauer. Schon im Hausflur bemerkte er einen merkwürdigen Geruch. Er kehrte um und begab sich zum Amtsvorsteher Freitag, der mit ihm sofort zum Eichholzschen Grundstück ging, die Tür öffnen ließ, und dann in der Wohnung folgendes feststellte:

In dem im Wohnzimmer stehenden Bett lag blutüberströmt und tot die 45jährige Frau Anna Eichholz geb. Riechmann, auf dem gegenüberstehenden Sofa, vor dem der mit Kaffeetassen und Frühstücksbroten besetzte Tisch stand, saß angezogen, in sich zusammengesunken, der Sohn der Frau Eichholz. Beide wiesen schwere Schädelverletzungen auf. Auch der Sohn Willy war tot. Im Beisein des sofort herbeigeholten Landjägermeisters Weinberg wurde bei einer Durchsuchung des Wohnhauses in einem anderen Zimmer die 15jährige Tochter Lucie Schwan und in einem Raume des Dachgeschosses der 17jährige Rudi Schwan, beide gleichfalls mit Schädelverletzungen, aufgefunden. Die beiden gaben noch schwache Lebenszeichen von sich und wurden nach Leistung der ersten ärztlichen Hilfe durch die im Orte ansässigen Ärzte Dr. Francke und Dr. Nasdal nach dem Krankenhause Magdeburg-Sudenburg gebracht. Das Ableben der beiden Kinder ist indessen nur eine Frage von Stunden.

Von vornherein war es klar, dass als Täter nur der 1887 geborene Karl Schwan sen. in Frage kommen könne. Schwan war zunächst nicht zu finden. Eine erneute gründliche Durchsuchung des ganzen Grundstücks ergab indessen, dass er sich im Stall an der Wand erhängt hatte.

Die Tat muss am 11. Juni in den Frühstunden geschehen sein. Schwan ist gegen 5 Uhr betrunken nach Hause gekommen und hat mit der Frau Eichholz, die unter seiner Saufsucht sehr zu leiden hatte, Streit angefangen. Im Verlaufe dieses Streits hat Schwan dann in einem augenscheinlichen Wutanfall ein im Wohnzimmer gefundenes Beil ergriffen und die Tat verübt.

Die Leichen waren, als die Tat entdeckt wurde, bereits erkaltet. Ebenso wurde bei dem Leichenbefunde an Schwan festgestellt, dass er schon seit Stunden tot sein musste.

Auf dem Tisch des Wohnzimmers lag ein von Schwan selbst geschriebener Zettel mit der Aufschrift: „Viel verfehlt, nicht geliebt, nicht verstanden, scheinbar geehrt, in der Verzweiflung nur nicht gewehrt. Osterweddingen, 11. Juni 1928. Karl Schwan.“

Wie es heißt, war in letzter Zeit das Zusammenleben zwischen Schwan und der Frau Eichholz unerträglich geworden. Schwan trug nur wenig zum Haushalt bei, weil er sehr viel für sich selbst verbrauchte. Nach Angaben, die Frau Eichholz zu ihren Lebzeiten verschiedentlich gemacht hat, hat Schwan sie schon öfters mit dem Tode bedroht. Die Verhältnisse haben sich allmählich so zugespitzt, dass Schwan nach einer durchzechten Nacht und in Auswirkung eines in seiner Trunkenheit vom Zaune gebrochenen Streites die furchtbare Bluttat, die vier Menschen, darunter zwei seiner eigenen Kinder, zum Opfer fielen, beging.