Die Osterweddinger Geschichte zusammengefasst von Rektor Eimbeck
Osterweddingen wird zum ersten Male im Jahre 935 erwähnt. Nach einer Urkunde vom 21.09.937 schenkte Otto I. das Dorf Osterunatinge mit Land und Leuten, mit Dorf und Weide den Heiligen des St. Moritzklosters in Magdeburg. Dafür mussten die Klosterbrüder dem Könige jährlich überreichen: ein Pferd, einen Schild und eine Lanze. Wie Otto I. selbst in der Schenkungsurkunde erwähnt, sollte man durch diese drei Gaben nicht vergessen, dass das Kloster unter dem Schutz des Königs steht.
Zum zweiten Male wird Osterweddingen in einer Urkunde des Jahres 1214 erwähnt. Als König Friedrich II. auf einem Hoftag in Frankfurt a.M. weilte, versuchte Otto IV. von Braunschweig das damals schon starke Magdeburg zu erobern. Der Erzbischof Ulbrecht von Magdeburg stellte sich ihm entgegen und es kam acht Tage nach Pfingsten des Jahres 1214 bei Osterweddingen zur Schlacht. Otto IV. zerstörte dabei das Dorf und alles Land ringsherum. Er wurde besiegt und musste sich zurückziehen.
Die Bedeutung des Namens Osterweddingen lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen. Es sind bei unserem Orte mehrere Erklärungen möglich. Die Silbe „Wedd“ kann Teil eines Personennamens sein, gebildet aus dem adv. witu, mhv. wite = Wald. „ingen“ = Dativ Plur. von ing = Söhne vom. Ursprünglich steht „ingen“ in Verbindung mit einem Verhältniswort und Artikel fort = bei den Söhnen des Waldes. „Oster“ = weddingen = die östlich von Langenweddingen gelegene Sippensiedlung. Es ist auch möglich, dass in Weddingen der Stamm Uuat = wat, want = Wasser steht. Am wahrscheinlichsten ist die Deutung, wenn man in Weddingen die Silbe „Wedde“ = Gerichtsstrafe, wedding = Gerichtsplatz sucht. Diese Annahme wird bestätigt durch die östlich am Dorfe gelegene Anhöhe, die man noch heute als „Thieberg“ bezeichnet. Seit uralten Zeiten versammelte sich die Gemeinde auf dem Berge des „Tiu“ bei ernsten und freudigen Gelegenheiten. Tiu war der leuchtende Himmelsgott, der unseren kampfesfrohen Vorfahren allmählich zum Kriegsgotte mit blitzendem Schwerte wurde. Genauere Kunde über unsere Gegend erhalten wir unter der Regierung des Kaisers Augustus. In der Altmark wohnten damals die Longobarden, die Cherusker nördlich vom Harze, die Gemnonen auf dem rechten Ufer der Elbe und im heutigen Thüringen waren die Hermunduren. All diese Stämme verehrten einen gemeinsamen Ahnherrn, Hermin, Irmin oder Tiu. Der römische Geschichtsschreiber Taritus berichtet von Tius, dem Gotte der Erminonen. Im Lande des ältesten erminischen Stammes, der Semnonen, zwischen der mittleren Elbe und Oder (Mark Brandenburg) kamen jährlich alle Stämme desselben Blutes zusammen. In einem schaurigen Haine begannen die Abgesandten die hohe Feier durch das Opfern von Menschen zu Ehren ihres Urahnen; des größten und höchsten der Götter, den man als „Tiwaz ermnaz“ den Erhabenen bezeichnete. So ist auch unser Thieberg einst die heilige Städte des allmächtigen Tiu gewesen.
In der Urzeit füllte ein Seebecken einen großen Teil der jetzigen Dorffläche aus. Der Rest dieses Sees ist der jetzige Dorfteich, der einen Abfluss nach der Sülze hat. Damals wurde dieser Abfluss durch eine Barre versperrt, die den Höhenzug südlich von Osterweddingen, der jetzt in einen westlichen und östlichen Teil zerfällt, verband. Dieses Seebecken nahm sämtliches Abwasser der ganzen Feldflur auf. Durch die Sinkstoffe erhöhte sich allmählich der Boden und es entstand dort fruchtbares Gartenland. Nach Osten suchte das Wasser einen Abfluss. Es entstand dort eine Auswaschung, die heute als „Kessel“ bezeichnet wird. Bei der Anlage eines Teiches im Ruscheschen Park, der ursprünglich ein Teil des Seegrundes war, stieß man auf eingerammte Pfähle. Man darf wohl annehmen, dass sie die Überreste einer Pfahldorfsiedlung sind. Östlich des Seebeckens lag schon der erwähnte Thieberg, die alte Gerichts,- Volksversammlungs- und Begräbnisstätte. Bei der Einrichtung eines Baues auf der östlich vom Teich gelegenen Anhöhe, die ursprünglich mit dem Thieberg im Zusammenhang stand und zum Thieberg gehörte, wurden vor 20 Jahren eine Reihe Bodengräber freigelegt. Sie sind der Beweis dafür, dass man die Anlage der Siedlung Osterweddingen wohl auf über 1000 Jahre vor Christi zurückverfolgen kann. Das man die Toten jenseits des Wassers begrub, hat seinen Grund in der religiösen Auffassung der damaligen Bewohner Osterweddingens. Man fürchtete die Geister der Verstorbenen und suchte sich gegen ihre Plagen zu schützen. Ein Hauptschutzmittel bildete das Wasser. An diese Zeit des Dämonenglaubens erinnern jetzt noch manche Gebräuche des Volkes. So gießt manche Frau heute noch, wenn der Abdecker ein Stück gefallenes Vieh abholt, einen Eimer Wasser hinter dem Wagen her. Man denke auch an Weihwasser und Taufwasser, durch welche die Dämonen abgehalten werden sollen. Aus der Dorflage geht hervor, dass die Siedlung vom Westrande des Wassers ausging, dort liegen jetzt noch in der heutigen Mittel- und Kirchstrasse die größten Bauernhöfe. Daran schloss sich später, als man zu einer Weitersiedlung schritt, ein zweiter Ring, die Höfe der Halbspänner. Noch später ist die Siedlung der Kossattenhöfe entstanden, die sich an die der Halbspänner anschlossen. Die letzten Siedlungen bildeten die der Anbauer. Diese Anbauer waren wahrscheinlich nicht durchweg germanischen Stammes. Es sind die sogenannten kleinen Leute, wie sie auch heute noch genannt werden. Dieser Teil des Dorfes heißt in der Mundart „Musickendorf“. Vielleicht ist das Wort eine Verstümmelung des russischen Wortes „Muschick“ (Knecht). Der Hausbau ist fränkischer Art. Wohnhaus, Stall und Scheune sind getrennt. Die älteren Häuser waren im ersten Stock massiv, aus Bruchsteinen erbaut oder Lehmstampfbau und darauf kam der Fachwerkbau als zweites Stockwerk. Bedeckt waren die Häuser mit Stroh. Nach dem grossen Brande am Ende des 18. Jahrhunderts ging man zur Ziegelbedachung über.
Im Mittelalter dehnte das Kloster Berge seine Macht immer weiter aus, so dass es zuletzt der Grundherr der ganzen Gemarkung war. Es besaß die niedrige und höhere Gerichtsbarkeit und hatte im Dorfe selbst einen Wirtschaftshof, den sogenannten Klosterhof (jetzt der Hof von Gustav Dittmann). Kulturell hat das Kloster bedeutendes für Osterweddingen geleistet, z.B. durch Einführung neuer Obst- und Gemüsearten. Selbst einen Weinberg hat es anlegen lassen. Er befand sich auf der Anhöhe hinter dem Walter Lücke’schen Garten im Vogelsang.
Die Reformation fand im 16. Jahrhundert in Osterweddingen ihren Eingang. Während des dreißigjährigen Krieges wurde Osterweddingen arg mitgenommen. Die Bewohner retteten sich nach Wanzleben und Schönebeck, so dass das Dorf lange unbewohnt war. Während dreier Jahre wurde in Osterweddingen ein Kind geboren und in vier Jahren ein Paar getraut. Nach dem Friedensschluss erhielt der Pfarrer, der sich mit seiner Gemeinde bis dahin in Wanzleben aufgehaltet hatte, seine Berufung nach Langenweddingen. Nach dorthin nahm er auch das Osterweddingeer Kirchenbuch mit. Viele von den alten Familien sind während des Krieges ausgestorben, so dass die Einwohnerschaft viele neue Namen aufweist. Zudem wütete im Jahre 1607 und 1680 die Pest furchtbar. Spuren jener Seuche fand man 1920 beim Ausschachten für den Sockel des Kriegerdenkmals auf dem alten Kirchenhof, wo man allem Anschein nach auf ein Massengrab gestoßen war. Kreuz und quer lagen die Leichen.
Im Jahre 1775 wurde auf Befehl des Königs Friedrich II. auch hier eine Maulbeerplantage angelegt. Die Anbauer erhielten das Land in Erbpacht, dazu 15 Freijahre und Baugelder vom Könige. Die Aufsicht über die Maulbeerplantage waren Pfarrer und Lehrer übertragen. Sie befand sich hinter dem jetzt Franz Nesemannschen Hof. Im Jahre 1789 brannte ein großer Teil des Dorfes nieder und zwar wurden die an der Kirchenstraße und an der Mittelstraße gelegenen Höfe zerstört. 1787 wurde die Chaussee von Magdeburg nach Leipzig gebaut, wozu die Einwohner Hand- und Spanndienste leisten mussten.
Auch zum damaligen königlichen Hause hat Osterweddingen Beziehungen erhalten. Als im Jahre 1804 Friedrich Wilhelm III. und die Königin Luise in Magdeburg weilten, waren auch viele Bewohner Osterweddingens hingeeilt, um ihren Herrscher zu sehen. Unter ihnen befand sich auch Maria Elisabeth Kühne, die Tochter des Halbspänners Kühne. Als die Königin im Gouvernementsgebäude am Domplatz (naturwissenschaftliches Museum) eine Erfrischung einnahm, da drängten sich die Leute nahe heran. Maria Elisabeth Kühne fiel durch ihre schlanke Figur, durch Frische und Schönheit und ihre eigenartige Bördetracht der Königin auf und ließ sie auffordern mit ihrer Mutter einzutreten. Sie fand Gefallen an dem forschen Dorfkind und machte ihr den Vorschlag, bei ihr als Kindermädchen eine Stelle anzunehmen. Maria war gleich damit einverstanden, aber die Mutter meinte, sie müsse erst ihre „Utftüer hebben“. Sie ging mit nach Osterweddingen zurück und nach sechs Wochen wurde sie durch königliches Gefährt abgeholt. Sie hat auch das Wohlgefallen der Königin behalten. Manches Scherzhafte wird von ihr erzählt. So hatte sie einmal die Kleider der Königin angezogen, um sich in königlicher Tracht zu sehen. Dabei überraschte sie die Königin. Bös erschrocken bat Maria Elisabeth um Verzeihung. Die Königin lachte aber und sprach: „Rache muss sein. Hast du meine Kleider getragen, werde ich auch deine anziehen.“ Die Königin verkleidete sich als Bördebäuerin und stellte sich als solche der Hofgesellschaft vor. Auch Vater und Bruder haben Maria Elisabeth Kühne in Potsdam besucht. Hierbei wurden sie dem König vorgestellt und unbekannt mit der Hofetiquette gaben sie ihm die Hand und drückten ihn herzhaft. Der König wunderte sich über die harten Hände und fragte, wovon die Hände so hart seien. Da gab ihm Kühne zur Antwort: „Das kommt von der Forte“. In dem Zimmer befand sich auch ein Klavier. Der junge Kühne setzte sich an dasselbe und fing an zu spielen. Darüber wunderte sich der König noch mehr, dass ein Bauer Klavier spielen könne. Später kam Maria Elisabeth Kühne nach Osterweddingen zum Besuch. Sie erregte Aufsehen in ihrem bäuerlichen Kreise. Besonders machte die Bäuerinnen ihr seidenes, mit Blumen besticktes Tuch neidisch, ein Geschenk der Königin. Bald darauf hatten sämtliche Bäuerinnen ein solches Tuch im Besitz. Sie aber stickte in ihr Tuch: „Ein Geschenk von meiner Königin“. Dies konnten die anderen natürlich nicht mitmachen. Während des unglücklichen Krieges hat sie die Flucht mit der Königsfamilie nach Osten mitgemacht und hat die Königin in ihrer Krankheit treu gepflegt.
Im Jahre 1831 wurde Osterweddingen von der Cholera heimgesucht. Die Regierung verhängte sofort die Sperre über unseren Ort, sodass die Einwohnerschaft bis zum 11. Dezember 1831 völlig von der Außenwelt abgeschnitten war. In 8 Wochen fielen 23 Personen der tödlichen Krankheit zum Opfer. Die Bevölkerung unseres Ortes war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts durchweg ackerbautreibend. Die Separation wurde 1833 beendet. Durch diese Zusammenlegung und Neueinteilung der Feldflur verschwanden verschiedene alte Wege (z.B. Wanzleber Weg, Stadtweg) und neue wurden dafür geschaffen. Die Straßen im Dorfe und in der Feldflur waren ungepflastert, so dass besonders im Frühjahr und Herbst die Wege durch den Wagenverkehr grundlos waren. Die Anleger legten Strohgarben über die Straßen, um die nötigen Übergänge zu ermöglichen. Die Pflasterung der Straßen erfolgte in den Jahren 1850 – 1870. In dieser Zeit wurde auch die Kreischaussee von Sülldorf über Osterweddingen zur Leipziger Straße als Verbindungschaussee gebaut. Für Benutzung dieser Chaussee wurde von den Fuhrwerken Chausseegeld erhoben. Das Einnehmerhaus war damals die jetzige Arbeiterkaserne der Frau Berta Lücke an der Chaussee zum Dodendorfer Bahnhofe. Nach 1900 wurde die Chaussee nach Ottersleben angelegt.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erlebte unser Dorf die Blüte im Zuckerrüben- und Zichorienbau und einen hohen wirtschaftlichen Aufschwung. Osterweddingen wurde Eisenbahnstation der großen Strecke Magdeburg-Halberstadt und ein großer Teil der Einwohnerschaft fand in den Magdeburger Fabriken lohnende Beschäftigung. So ist mit der Zeit unsere Gemeinde mehr und mehr ein Industrieort geworden. Der frühere Feldweg zur Bahn ist heute die auf beiden Seiten vollgebaute Bahnhofstraße. Die Einwohnerzahl betrug vor dem Kriege 1700, sie ist zur Zeit um 100 zurückgegangen.
Als Fortschritt und letzte bedeutende Errungenschaft muss das im Jahre 1927 erbaute Schwimmbad im Sülzetal bezeichnet werden. Es liegt in der schönen Gegend der Osterweddinger Flur. Der Wasserspiegel hat einen Flächeninhalt von 1250 Quadratmeter. Durch den natürlichen Zu- und Abfluss hatte das Bad stets klares, frisches Wasser, das außerdem durch seinen Solegehalt eine besonders heilkräftige Wirkung auf den Organismus ausübte.
Zum Schluss möchte ich noch kurz aus der Kirchengeschichte unseres Ortes berichten. In der katholischen Zeit des Mittelalters bildeten Osterweddingen und Dodendorf eine Kirchengemeinde. Im Jahre 1460 wurde Dodendorf kirchlich von der Muttergemeinde Osterweddingen getrennt. Die neue Pfarre in Dodendorf wurde dotiert mit dem Pfarracker des schon damals wüst gelegenen Billingsdorf. Als Entschädigung für den Ausfall an Einkommen, das der Pfarrer von Osterweddingen aus der Dodendorfer Gemeinde bezog, erhielt er ebenfalls eine Ackerentschädigung aus der Billingsdorfer Feldflur. Es ist der heutige Pfarracker rechts und links am Welslebener Feldwege. Die Brücke über die Sülze nach dort hatte der Pfarrer von Osterweddingen zu unterhalten. Sie wird darum heute noch als „Pastorbrücke“ bezeichnet. Erst um 1900 hat die politische Gemeinde die Instandhaltung dieser Brücke übernommen. Die Kirche selbst ist vermutlich im 13. Jahrhundert erbaut worden. In kirchlicher Beziehung haben wir nun heute beinahe dieselben Verhältnisse wie vor 1460. Seit dem 1.1.1926 werden beide Gemeinden von einem Pfarrer betreut. Der Unterschied gegen früher besteht darin, dass Pastor Dr. Schladebach in der Filialgemeinde Dodendorf seinen Wohnsitz hat und von dort aus die Mutterkirche Osterweddingen mitverwaltet.